Candystorm trifft Shitstorm
Shitstorm – DAS Totschlagargument
Es ist DAS Totschlagargument für alle Zauderer in Sachen Social Media: „Und wenn wir einen Shitstorm bekommen?!“
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Shitstorm vs. Candystorm – was ist das?
Shitstorm = Shitstorm ist ein Begriff, der eine heftige und oft öffentliche Reaktion auf bestimmte Themen in den soziale Medien oder im Internet im Allgemeinen beschreibt. Der Begriff bezieht sich auf eine Welle von negativen Kommentaren, Kritik oder Anfeindungen, die sich schnell und in großem Umfang verbreiten und rasant wachsen.
Candystorm = Ein Candystorm ist dann quasi das Gegenteil eines Shitstorms. Er stellt ein Phänomen dar, bei dem eine Vielzahl von positiven Kommentaren, Lob und Unterstützung online verbreitet werden und im besten Fall die negativen Meinungen des Shitstorms übertönen. Es handelt sich somit um einen Sturm von positiver Resonanz, der eine unterstützende Atmosphäre schafft.
➡️ Wenn also ein Shitstorm viele negative Kommentare und Kritik auslöst, kann ein Candystorm als Reaktion darauf verwendet werden, um positiven Gegenwind zu erzeugen. Menschen können sich zusammentun und positive Kommentare, Ermutigungen und Unterstützung verbreiten, um den negativen Einfluss des Shitstorms abzuschwächen oder sogar umzukehren.
Freilichtmuseum Hessenpark
Tja, beim Freilichtmuseum Hessenpark trat 2016 genau das ein – es gab einen waschechten, fiesen, persönlichen und orchestrierten Shitstorm. Warum? Weil sie Geflüchtete kostenlos in das Freilichtmuseum ließen. Pia Preuss war damals – und ist es auch heute noch – verantwortlich für die Kommunikation des Hessenparks und sie erzählt im Podcast, wie das damals alles so war, was sie getan hat und was sie anderen raten würde.
‼️ Wichtigste Erkenntnis direkt zu Beginn: Jeder Shitstorm ist irgendwann auch wieder vorbei, man ist nicht machtlos und auch im Shitstorm liegt eine Chance (Stichwort Candystorm).
➡️ Aber Noch wichtiger: Am Ende wäre der Hessenpark auch ohne Facebook-Account zur Zielscheibe geworden – sie hätten es nur viel später mitbekommen und hätten nicht so gut reagieren können. Einfach nicht mitmachen schützt also nicht, sondern macht es noch schlimmer!
Wer ist Pia Preuss und was ist der Hessenpark?!
Pia Preuss ist die Kommunikationsverantwortliche des Hessenparks in Neu-Ansbach in der Nähe von Bad Homburg. Pia ist seit 10 Jahren verantwortlich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Museums. Darunter fallen auch Social Media und andere Internetquellen. Der Hessenpark ist auf Facebook und Instagram vertreten.
Der Hessenpark ist ein Freilichtmuseum, 65 Hektar groß, mit wunderschönen Fachwerkhäusern aus allen Teilen Hessens und dort werden nicht nur alte Gebäude bewahrt, sondern auch alte Handwerkstechniken, alte Haustierrassen und alte Pflanzenarten. Es gibt dort also jede Menge zu sehen und zu erleben.
Flüchtlinge und die Krise des Hessenparks
Während der Flüchtlingskrise 2015/16 hat der Hessenpark beschlossen, Flüchtlingen freien Eintritt in den Park zu gewähren. Dazu wurde eine Pressemitteilung verfasst und es war klar, dass das nicht jeder gut finden wird, aber der Großteil reagierte dennoch positiv. Daraufhin haben auch viele Gruppen dieses Angebot wahrgenommen und alles lief super, bis…
… bis viele Monate später ein Foto der Preisliste über AFD-nahe Kanäle auf Facebook verbreitet und viele Menschen dazu mobilisiert wurden, gegen die Politik des Hessenparks vorzugehen. Das fing damit an, dass unter den neuen Beiträgen des Parks immer mehr negative Kommentare verbreitet wurden und da kam wirklich einiges zusammen! Im ersten Moment wusste man also gar nicht, was man machen soll und hat nur realisiert, dass da etwas Großes auf den Park zu rollt.
Die erste Reaktion
Zuerst ist man natürlich sehr schockiert und fragt sich, was man jetzt aus der Situation macht. Es hat sich schnell herausgestellt, dass es keine gute Idee war, die Nachrichtenfunktion abzustellen, weshalb dies schnell wieder rückgängig gemacht wurde. Die größte Herausforderung war es, dass dieser Shitstorm einfach so unglaublich schnell gewachsen ist und immer mehr Hassnachrichten und böse Kommentare auf den Hessenpark einprasselten.
Pressemitteilung
Im Team einigte man sich darauf, so schnell wie möglich die erste Pressemitteilung mit dem Titel: “Wir stehen zu unserer Preispolitik” zu veröffentlichen, in der relativ klar wurde, warum das Thema wichtig ist und warum der Park bei seiner Entscheidung bleibt und nichts daran ändern wird. Denn sie meinten es ja wirklich ernst.
Nach der Pressemitteilung gab es auch immer mehr Befürworter. Und genau die waren es dann auch, die den Hessenpark mit ihrem Candystorm (=Gegenteil eines Shitstorms) ein bisschen durch diese schwere Zeit tragen und das Ausmaß im Rahmen halten konnten.
Austausch mit der Polizei
💡 Bei einem Shitstorm mit solch einem Ausmaß ist es durchaus sinnvoll, in engem Kontakt mit der Polizei zu stehen. Diese haben das Museum und den Park auch durchgehend unterstützt.
Presse Echo
Es gab natürlich einen riesigen Aufschrei in den Medien und der Hessenpark hat es über die regionalen Nachrichten bis in die Heute Show geschafft. Auch die dpa, Focus online und der Spiegel berichteten über den Vorfall…
Da kommt die Frage auf, ob einem so etwas schadet oder nicht. ➡️ Was den Bekanntheitsgrad des Hessenparks angeht, hat es ihnen auf gar keinen Fall geschadet. Das liegt auch daran, dass das Museum bei all den Kritikern auch sehr viele Unterstützer hatte und die Presse nicht durchweg negativ war.
Hier findest du weitere Artikel zu dem Vorfall in der Presse:
Unterschiedliche Arten von Shitstorm
- Selbstverschuldeter Shitstorm
- Unverschuldeter Shitstorm
- Shitstorm, der rein aus der eigenen Kommunikation entsteht – falsche oder unpassende Kommunikation
- Shitstorm, weil man nicht schnell genug reagiert hat
Also doch lieber kein Social Media machen?
Nein, definitiv weitermachen!
Juristisches Nachspiel
Der Hessenpark hat natürlich auch einige Facebook Nutzer, die besonders negativ aufgefallen sind, angezeigt. Dabei ist allerdings nicht so viel passiert, weil sich diese entweder aus der Affäre gezogen oder angegeben haben, dass sie das gar nicht gewesen seien. Und leider kann man über Facebook nicht jeden ausfindig machen…
Ein weiteres Problem nach dem Shitstorm waren auch die schlechten Bewertungen auf Google, was natürlich kurzfristig mit einem Downgrading der Bewertungen führte und es nicht ganz so einfach diese zu entfernen. Damals war es quasi unmöglich absichtlich negative Bewertungen zu löschen.
💡 Learnings
- Social Media Accounts (z.B. Facebook Seite) nie mehr aus den Augen lassen!
- Die Accounts werden “rund um die Uhr” gemonitort, sodass man beim (hoffentlich nie) nächsten Mal noch schneller reagieren kann und den Shitstorm ggf. abschwächt.
- Kühlen Kopf bewahren
- Nicht den ersten Impulsen, die einem in den Kopf kommen, direkt nachstreben. Lieber zweimal darüber nachdenken.
- Die eigene Meinung/Stellung/Haltung beibehalten und diese vertreten.
- Grundhaltung kommunizieren zu wollen und gegen den Shitstorm vorzugehen.
- Auch während des Shitstorms transparent und offen kommunizieren.
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