Müssen Kommunen Facebook abschalten?
DSGV-Was? Social Media, Recht und Datenschutz – wir haben den Profi gefragt: Interview mit Dr. Thomas Schuster
Es ist für die meisten Kommunikator*innen die persönliche Hölle: DSGVO, Recht am eigenen Bild, Urheberrecht, Informationsfreiheit und alles andere, was mit Paragrafen beginnt. Und die Sorge, was falsch zu machen und geltendes Recht unbewusst zu verletzen, ist wohl der häufigste Grund, weshalb Social Media in Behörden immer noch zögerlich angegangen wird oder gar immer wieder ein „Facebook abschalten“ durch die Gänge der Behörden klingt.
In Folge 10 unseres Kleinstadtniveau Podcast, haben wir ganz oben nachgefragt und hatten den Bundedatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber zu Gast: Wer hat Angst vor Ulrich Kelber? Die Erkenntnis daraus, war jedoch nur, dass der BDB viel sympathischer ist als sein Ruf – einer Lösung des Problems bzw. einer Beruhigung der Sachlage sind wir ehrlicherweise keinen Schritt näher gekommen.
Auch wenn wir Social Media täglich nutzen und Behörden und Verwaltungen beraten, ist Datenschutz und Recht absolut NICHT unser Fachgebiet. Nach vielen Recherchen und Vorträgen von so genannten Experten waren wir uns nicht mal mehr sicher, ob es überhaupt einen Experten auf diesem Gebiet gibt. Stichwort: “Es kommt drauf an.”
Zum Glück haben wir dann Dr. Thomas Schuster kennen gerlernt und ihn in unseren Kleinstadtniveau Podcast eingeladen. In unserem Gespräch erklärt, warum alles halb so wild ist und welche pragmatischen Fragen man sich als Social Media Manager*in stellen sollte, um “ziemlich rechtssicher” zu arbeiten. Das Beste: Obwohl er Rechtsanwalt ist, kann Thomas alles so erklären, dass man es auch als Nicht-Jurist*in versteht. Versprochen: Nach diesem Beitrag fühlt Ihr Euch gleich viel besser.
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Wer ist Dr. Thomas Schuster? Dr. Thomas Schuster ist Rechtsanwalt und Partner bei EICHLER KERN KLEIN in Stuttgart. Er ist durchweg spezialisiert auf digitale Themen der öffentlichen Hand. Das fängt an bei E-Government-Recht, OZG (Online Zugangsgesetz) Umsetzung und hört auf bei Kommunikation, Information der öffentlichen Hand, Internetseiten, Internetportalen und Social Media. Das passt ja perfekt, denn genau diese dringenden Themen behandeln wir in diesem Beitrag!
Meistens, wenn es eine Frage zum Thema Datenschutz gibt, “kommt es darauf an”. Was soll das? Wieso bekommen wir so oft diese Antwort? Es gibt doch auch beim Datenschutz Regeln, so wie z.B. im Straßenverkehr auch. Solche Antworten kommen immer dann, wenn es noch keine einheitlichen Rechtssprechungen oder Meinungen gibt, erklärt uns Thomas, und das ist im digitalen Umfeld leider immer noch sehr oft der Fall, weil es ein superagiler Bereich ist. P.S.: “Es kommt drauf an“ hat Thomas im gesamten Podcast tatsächlich nur 1,5 Mal gesagt.
Facebook abschalten?!
Müsst ihr nun Facebook abschalten? Diese Fragen beantwortet Thomas ganz klar mit NEIN – Puh!
Trotzdem sollte man das Thema vor allem als Kommune ernst nehmen. Es geht hierbei nämlich vorrangig nicht um irgendwelche abstrusen Verbote, sondern konkret um Datenschutz – also den Schutz der Daten eurer Bürger*innen. Die Zusammenarbeit mit Facebook, ähhh Meta, ist hier nicht immer ganz transparent und der Bundesdatenschutzbeauftragte sowie die Landesdatenschutzbeauftragten haben zu Recht große Sorgen. Die Frage ist jetzt allerdings: Wer ist Schuld? Wer muss was ausbaden und vor allem: Warum gerade mit den Kommunen beginnen?
Die gesamteuropäische Lösung
Dr. Thomas Schuster ist überzeugt, dass es eher eine gesamteuropäische Einigung und Lösung mit Facebook gemeinsam geben wird, als dass jetzt jede Kommune einzeln verwarnt und gezwungen wird, ihre Social Media Accounts abzuschalten.
Eine Lösung wäre grundsätzlich eine stärkere Kontrolle von Meta durch die zuständige Datenschutzbehörde. Das Blöde daran ist, dass Meta (nicht ohne Grund) seinen Sitz in Irland gewählt hat. Denn “der zahnloseste Tiger, den wir in der Rechtswelt haben, ist die irische Datenschutzbehörde”, so Schuster. “Die machen nämlich überhaupt gar nichts und werden dafür auch ständig gerügt.”
Der Tenor der Datenschützer sollte lauten: Wendet euch doch erstmal mit aller Macht gegen denjenigen, der das tatsächliche Hauptproblem ist – und Achtung Spoiler: Das sind NICHT die Kommunen. Am Ende profitiert aktuell keiner davon, wenn man eine Facebookseite einfach abschaltet. Mittlerweile nutzen wirklich viele Menschen verschiedene Social Media Kanäle zur Informationsbeschaffung – Was ist denn hier die Alternative? Facebook abschalten sich nicht.
Dr. Schuster glaubt nicht, dass jetzt alle Kommunen vom LFDI (Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit) auf einen Schlag einen Unterlassungsbescheid bekommen.” Er würde einfach mal abwarten!
OK, aber wer haftet denn jetzt?
Eines vorneweg: es kommt erstaunlich selten vor, dass Kommunen rechtlich belangt werden. Am häufigsten neigen Verlage dazu, gegen Kommunen vorzugehen, wenn es in Internetportalen oder auch auf Social Media um die Frage der Inhalte des öffentlichen Auftrags geht. Also darf man über alles berichten, was in der Kommune passiert oder nur über Dinge, die in der Verwaltung passieren?
Das Grundprinzip des Kommunalrechts ist es, dass die Kommune nur für ihre Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zuständig ist. Das wird dann bei einer Veröffentlichung im Internet total spannend, weil das Internet weit über die geografischen Grenzen der Kommune hinausgeht. Wenn das Gesetz sagt, man muss sich bei der Berichterstattung auf die örtlichen Grenzen beschränken, wird das im digitalen Raum sehr schnell, sehr kritisch. Anmerkung von uns: Warum sollte die Relevanz von Kommunen auf geographische Grenzen beschränkt sein? Komisches Gesetz?
Und was passiert im Worst Case?
Es haftet für einen Verstoß erstmal die Kommune, wenn es eine amtliche Äußerung ist. Schwierig wird es nur in den Fällen, wo jemand faktisch sein Amt missbraucht.
Bei einer amtlichen Veröffentlichung ist erstmal grundsätzlich die Gemeinde für die Unterlassung verantwortlich. Dann gibt es aber noch die Regelung, dass bei Amtshaftungen theoretisch irgendwann auch auf die Einzelperson durchgegriffen werden kann. Das kommt aber faktisch nie vor. Was aber nicht heißt, dass du jetzt machen kannst, was du willst.
Klingt alles schon sehr nach “Es kommt darauf an”. Deshalb aber jetzt mal konkret.
Praxisbeispiele aus der Community
Musik
FRAGE: Ich spiele selbst ein Stück von Santana auf der Gitarre und nutze es als Hintergrundmusik in einem Video, das ich auf Instagram veröffentlichte.
ANTWORT: ❌ Eher nicht posten, da es ein rechtlich kritischer Bereich ist. Also wenn es nicht nötig ist, dann sollte man lieber eine andere Hintergrundmusik wählen.
FRAGE: Wir halten eine Mahnwache und währenddessen läuft Imagine von John Lennon und dieses Event wird über Facebook und die Website live gestreamt.
ANTWORT: ✅ Vorausgesetzt, die Mahnwache und Gema sind angemeldet, d.h. man filmt die Mahnwache ab. Dann ist der Fall in Ordnung, weil es eine Art Bildberichterstattung ist.
FRAGE: Nutzung der Musikfunktion auf Instagram.
ANTWORT: ✅ In diesem Fall liegen die Musiklizenzen bei Instagram und es ist in Ordnung diese Funktion zu nutzen, solange man sich an die Nutzungsbedingungen hält.
Bildrecht
FRAGE: Wir haben eine Veranstaltung z.B. ein Workshop mit Bürger*innen bei der Fotoaufnahmen gemacht werden. Darf ich als Kommune diese veröffentlichen?
ANTWORT: ✅ Man benötigt eine Einwilligung der Anwesenden, diese muss nicht zwingend schriftlich vorliegen, aber man muss zumindest alle Beteiligten fragen. Wenn man ganz sicher sein will, dann fotografiert man so, dass man die Menschen nur von hinten oder kaum erkennt.
Software
FRAGE: Wir nutzen eine Projektmanagement-Software wie Trello. Darf man das?
ANTWORT: ❌ Jede Kommune muss sich einmal ausgiebig mit der Datenschutzverordnung der Software auseinandersetzen und dann abwägen, ob sie diese konkret vertreten und nutzen dürfen. – Das Tool als solches hat eine Datenschutzkonformität, aber man muss immer schauen, ob das, was man damit macht, für die Kommune konform ist.
Was ist eigentlich eine Datenschutzfolgenabschätzung?
Es gibt Verarbeitungen von Daten, die absolut nicht kritisch sind. Dann gibt es aber Fälle, die grundsätzlich zulässig sind, aber die problembehafteter sind z.B. wenn man Daten hinsichtlich des Gesundheitszustandes verschiedenen Personen verarbeitet. Im Art.35 stellt die DSGVO eine Regel auf, die besagt, dass wenn man diese Daten verarbeitet, dann muss man eine Datenschutzfolgenabschätzung durchführen, bei der man schaut, ob man bei der eigenen Datenverarbeitung Fälle mit hohem Risiko hat.
Das bedeutet, man muss sich folgende Fragen bewusst machen:
- Welche Daten verarbeite ich?
- Welches Risiko habe ich dabei?
- Was tue ich dagegen, dass sich dieses Risiko realisiert?
→ Am Ende kommen Ergebnisse heraus, anhand derer man Verbesserungspotenziale erkennen und seine Prozesse daran anpassen kann. Sozusagen eine Prüfung der eigenen Arbeit und der Ableitung verschiedener Maßnahmen zur Optimierung des Datenschutzes.
Ja, es ist wirklich so kompliziert, wie es sich anhört…
Die nächsten Webinare & Workshops
Das braucht jede Kommune
Jede Kommune braucht auf jeden Fall die notwendigen und vor allem aktuellen Informationspflichten wie Datenschutzhinweise und Impressum. Sowohl auf der Homepage als auch auf allen Social Media Kanälen.
Wenn deine Kommune DSGVO konform unterwegs sein soll, dann bedeutet das in erster Linie sehr viel Arbeit. Das soll dich jetzt aber keineswegs abschrecken. Wichtig ist vor allem ein transparentes Vorgehen bei der Datenverarbeitung. Man sollte sich einmal die Frage stellen, wer welche Daten verarbeitet und offen damit umgehen. So kann das Risiko minimiert und weniger schief gehen.
FAZIT Recht und Datenschutz
Die wichtigsten Fragen, die man einmal in der kommunalen Pressestelle klären sollte:
Homepage und Social Media: Was darf die Kommune berichten?
✅ Erstelle eine vernünftige Leitlinie und lasse ggf. einen Juristen darüber schauen.
Wettbewerbsgleichheit: Was darf man veröffentlichen? Wie grenze ich das Ganze vom Journalismus ab?
✅ Wichtig für Kommunen mit starker Wirtschaftsförderung und Tourismus
Einheitlicher Auftritt
✅ Kommuniziere auf allen Kanälen möglichst einheitlich, so macht man sich weniger angreifbar.
No Go’s: Was sind meine datenschutzrechtlichen No Go’s?
✅ Beispiel Feuerwehr: Was will/darf ich über Unfälle berichten? Sehr kritischer Fall.
Facebook abschalten?
✅ Ein klares NEIN. Erstmal abwarten.
Solltest du Fragen oder Anmerkungen haben, schicke uns gerne eine E-Mail an hallo@amtshelden.de. Ihr kommt in eurer Stadt mit Social Media nicht wirklich voran? Dann haben wir vielleicht was für dich – schau dir mal unser Amtshelden-Programm an.
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