TikTok-Strategien für Behörden – Expertentipps von Magnus Folten
Es gibt den TikTok-Bürgermeister, der Bundeskanzler ist mittlerweile auf TikTok vertreten und so gewinnt TikTok für Behörden auch immer mehr an Bedeutung. Gemeinsam mit Magnus Folten berichten wir über TikTok-Strategien für Behörden und wie Behörden TikTok effizient nutzen können.
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Magnus Folten
Ursprünglich kommt Magnus aus dem klassischen Journalismus und der politischen Kommunikation. Vor knapp drei Jahren hat er sich dann aber doch in Richtung Social Media bewegt, da sich dort andere Dinge entwickeln als in der Politik. Kurz nachdem er in den kommerziellen Bereich wurde TikTok auch in Deutschland ein großes Thema und Magnus hat schnell gemerkt, dass auf dieser Plattform viel Potenzial für große Reichweiten vorhanden ist.
Jetzt ist er bei we create als Leiter der Agentur 9:16 by we create tätig und kümmert sich um alles rund um das Thema Social Media und Video-Content in 9:16. Die Agentur konzentriert sich darauf, Marken in der GenZ und GenY stattfinden zu lassen – vor allem über TikToks und Reels.
So funktioniert TikTok!
Im Grunde ist TikTok eine App mit 9:16 Filmchen, die nie aufhören und man immer weiter scrollen kann. Es gibt immer mehr Content in allen verschiedenen Richtungen und immer mehr Leute, die Content generieren. Also ähnlich wie auf YouTube oder Instagram auch, aber TikTok hat einen großen Unterschied: der Algorithmus!
Der TikTok-Algorithmus ist so persönlich, dass bei jedem Nutzer die “for you page” anders aussieht und mit anderem Content bespielt wird. Der Algorithmus dieser App ist ein interest-/content-graph, d.h. Menschen sehen Inhalte nicht, weil sie anderen Menschen folgen, sondern sie sehen primär Inhalte, die sie interessieren. Dies basiert dann auf den Inhalten, die man zuvor konsumiert oder mit denen man zuvor interagiert hat. So weiß der Algorithmus, welche Interessen man hat und spielt den Content aus, der dazu passt. Ähnlich wie die Amazon-Empfehlungen 😉
Das Besondere daran: die Geschwindigkeit der App und des Algorithmus! Bei TikTok zählt jede Sekunde. Je länger oder kürzer man sich ein Video anschaut, ist ausschlaggebend für die nächsten Videos, die ausgespielt werden. So schafft TikTok ein sehr persönliches Nutzererlebnis, das den Nutzer unterhält und die Bildschirmzeit drastisch erhöht. Man kann immer weiter scrollen und bekommt immer mehr Videos der eigenen Interessen angezeigt – das kann man mit einer Slotmaschine im Casino vergleichen.
So hat TikTok den Social-Media-Markt revolutioniert, weil der persönliche Feed mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als beispielsweise der Instagram-Feed, der primär darauf basiert, dass man die Inhalte von Menschen sieht, denen man bereits folgt. Follower sind auf TikTok nicht so wichtig wie Views und Likes.
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ABER funktioniert der Algorithmus immer so perfekt?!
Nein, definitiv nicht. Laut Magnus gibt es Tage, an denen auf seiner TikTok for you page auch vermehrt Inhalte ausgespielt werden, die so gar nicht seinen Interessen an dem Tag entsprechen. Aber meistens ist der Algorithmus auf eine fast schon gruselige Art und Weise sehr genau. Er kennt das eigene Nutzerverhalten schon sehr gut und spielt den entsprechenden Content aus – basierend auf Sekundenentscheidungen.
TikTok erfordert ein ganz neues Denken!
Bei TikTok ist das Denken für die Entwicklung von Inhalten völlig anders. Vorher und bei anderen Social-Media-Plattformen ging es vor allem darum, Follower aufzubauen, Engagement zu erzielen und eine hohe Reichweite zu erlangen. Während es bei TikTok möglich ist, ohne Follower ein gutes Video zu posten, das eine hohe Reichweite erzielt.
Der Community-Aufbau auf TikTok funktioniert anders. Hier ist es wichtig zu berücksichtigen, dass TikTok-Nutzer die Inhalte anhand ihrer Aufmerksamkeit und der Zeit, mit der sie die Videos schauen, wertschätzen.
Anders als bei Instagram und Co. kann man seine bestehenden Follower dann nicht so einfach über weitere Werbeanzeigen erreichen und so das Interesse aufrechterhalten. Man muss ihnen immer wieder neue spannende Inhalte bieten, die sie gerne konsumieren möchten und sie so durch Unterhaltung an die Marke binden.
TikTok hat eine höfliche Community!
Stimmt das wirklich? Ja, kann man tatsächlich so sagen!
Natürlich gibt es auch hier Themen-Nischen, in denen es problematisch zu geht, aber im Großen und Ganzen ist die Community auf TikTok sehr höflich und es gibt selten negative und Hass-Kommentare.
Die meisten Nutzer kommentieren aus der Motivation heraus, weil sie Dinge cool finden und unterstützen möchten. Nicht, weil sie negative Stimmung verbreiten und Dinge schlecht reden wollen. Das liegt vor allem daran, dass die Nutzer anders zusammengebracht werden. Nämlich über Interessen und Interaktion, nicht über Status und Menschen, die einen Status haben. Dadurch öffnet sich die Kultur ein Stück und schafft eine ganz andere Interaktion zwischen den Nutzern.
⚠️ Beispiel:
Magnus hat neulich einen Account mit 1.000 Followern entdeckt, der über Frauen-Fußball berichtet. Und trotz des recht kleinen Accounts waren unter einem Video rege Kommentare von anderen jungen Frauen, die sich für Fußball interessieren, zu lesen. “Cool, das Trikot habe ich auch.” oder “Schön, dass es Videos über Frauen-Fußball gibt.” oder “Ich spiele auch Fußball, richtig coole Videos!” → Das hätte auf Instagram wahrscheinlich kaum Anklang gefunden und schon gar nicht hätte so ein reger Austausch in den Kommentaren stattgefunden!
➡️ Genau dieser Austausch in den Kommentaren und die Interaktion mit den Kurzvideos auf TikTok pusht den Algorithmus und sorgt dafür, dass das Video noch häufiger an Nutzer ausgespielt wird, die die gleichen Interessen haben.
Natürlich kann das aber auch mal nach hinten losgehen! Ist der rege Austausch zu einem Thema positiv, kann man viel Reichweite erzielen. ABER genauso funktioniert das auch mit negativen Kommentaren. Hat man ein Video, unter dem ein kritisches Thema negativ und viel diskutiert wird, erzielt man auch eine hohe Reichweite, kommt im schlimmsten Fall aber nicht mehr aus dieser Negativspirale raus!
TikTok ist eine jüngere Plattform!
Der positive Umgang miteinander auf TikTok liegt auch an den Generationen und Altersgruppen, die die Plattform hauptsächlich nutzen. Dort sind wesentlich jüngere Nutzer unterwegs als auf Facebook. Während die ältere Generation auf Facebook negative Stimmung verbreitet, interagiert die jüngere Generation eher positiv auf TikTok.
TikTok-Strategien für Behörden
Muss man zwingend TikTok nutzen, um die junge Zielgruppe zu erreichen?
Ja, weil TikTok nun mal einer der besten, wenn nicht sogar der beste Kanal für die junge Zielgruppe ist. Das liegt vor allem an dem Neuigkeitseffekt und man dort als Behörde wirklich von Grund auf neu anfangen kann. Das bringt viele Vorteile mit sich und man kann recht einfach für einen Überraschungseffekt sorgen.
Darüber hinaus bietet TikTok die große Chance, dass der Content erst einmal lokal und dann darüber hinaus regional ausgespielt wird und man somit recht einfach genau die eigenen Bürger erreichen kann – im Vergleich zu z.B. Instagram. Man kann auch bei TikTok einen Standort angeben, der die lokale Ausspielung nochmal stark unterstützt. Zusätzlich sind die Reichweiten und die Interaktion auf TikTok nach wie vor überdurchschnittlich gut, auch bei Behörden, die schon auf TikTok aktiv sind.
Der Großteil der Kultur in der jungen Zielgruppe findet auf TikTok statt! Dies kann man als Behörde nutzen und zeigen, dass sie dort präsent sind, die Zielgruppe und deren Anliegen verstehen und darauf eingehen und auch mal den ein oder anderen Trend mitmachen. Gerade die jüngere Generation teilt sehr viel auf TikTok und genau das sollte man sich zunutze machen!
Wenn ich als Behörde TikTok nutze, wie trete ich dort auf? Als Behörde oder die Personen, die in der Behörde arbeiten?
Das ist eine der Fragen, die etwas schwieriger zu beantworten ist, aber dennoch elementar wichtig ist. Wen stellt man auf TikTok dar? Die Behörde, das Amt, die Stadt, den Bürgermeister, die Mitarbeiter oder worum geht es am Ende?
Leider können auch wir diese Frage nicht pauschal beantworten …
Aber wir denken, dass es durchaus Sinn ergibt, die Behörde in ihrer Gänze darzustellen und das anhand der eigenen Mitarbeiter zu machen und einfach Menschen zu zeigen, die in der Behörde tätig sind. So kann man verschiedene Charaktere zeigen und mit ihnen eine Geschichte rund um die Behörde bauen. So können verschiedene Themen durch verschiedene Personen platziert werden. Geht es beispielsweise um ein konkretes politisches Thema, kann man hierbei den Bürgermeister oder Landrat einbinden usw.
Es ist für die Community wichtig zu sehen, dass dort echte Menschen arbeiten und echte Menschen mit ihnen interagieren. Die Personen aus der Behörde sollten wie ein klassischer TikTok-Creator agieren. Der Nutzer muss das Gefühl haben, dass dieser gerade direkt zu einem ins Handy spricht. Ob das Video dann im Nachgang professionell von einem Medien-Team bearbeitet wird, ist dann erst einmal zweitrangig. Die Person sollte im Vordergrund stehen und das möglichst authentisch!
Wie starte ich als Behörde auf TikTok?
Bevor man mit TikTok startet, sollte man ganz grundlegend erst einmal das Ziel definieren, das man mit TikTok erreichen will! Und dieses Ziel muss so genau wie möglich sein. Dabei kann man sich die Frage stellen, was man durch Social Media dann in der realen Welt verändern möchte.
Des Weiteren braucht man ein genaues Thema und muss seine Nische finden! Man braucht eine starke Value-Proposition (Nutzenversprechen). Es reicht nicht aus, einfach die gleichen Inhalte der anderen Plattformen auf TikTok dann nur in Video-Form zu veröffentlichen! Der Nutzer muss wissen, was er dafür bekommt, wenn er die Videos schaut und damit interagiert.
Welche Bedürfnisse befriedigt meine Dienstleistung?
Was tue ich für meine Bürger?
Was tue ich als Politiker für meine Bürger?
Welche verwandten Medien Nutzungsbedürfnisse gibt es?
Nach welchen Bedürfnissen wählen die Nutzer die Plattform aus?
Welche Bedürfnisse haben die Nutzer und was erwarten sie?
➡️ Passe die Inhalte an die Bedürfnisse der Nutzer/ der Zielgruppe an!
Herausforderungen für Behörden
Auf TikTok hat man viele verschiedene Möglichkeiten, sich als Behörde zu positionieren. Diese Möglichkeiten bringen aber auch viele Herausforderungen, gerade für den öffentlichen Dienst, mit sich. Das beginnt schon beim Arbeitsrhythmus und der Agilität der Plattform. Man muss ggf. schnell reagieren, sollte immer agil unterwegs sein und erst einmal seinen eigenen und vor allem machbaren Content-Rhythmus finden.
Darüber hinaus stellt die Videoproduktion viele Behörden personell vor Herausforderungen sowie das Thema Corporate Identity, die auf TikTok überhaupt keine Rolle mehr spielt, während man die CI auf anderen Plattformen dennoch beibehalten sollte.
Es gibt so viele Faktoren, die es den Behörden auf TikTok auf den ersten Blick schwer machen. ABER es gibt für alles eine Lösung!
Kontinuität ist Key – auch auf TikTok!
Wie bei anderen Plattformen ist auch auf TikTok die Kontinuität ein wichtiger Faktor. Veröffentliche ich regelmäßig und oft ein neues Video, so nimmt die Community immer öfter die Behörde wahr und speichert diese ab. Man sollte also immer wieder versuchen, die Bedürfnisse der Community mit verschiedenen Inhalten zu befriedigen. Nur so kann man langfristig eine Community aufbauen, die ein gewisses Vertrauen in die Behörde hat.
💡 Tipp: Probiert viele verschiedene Sachen aus! Man sollte sich nicht zu viele Gedanken über die Technik machen - das Video muss nicht immer perfekt sein. ABER poste nicht unendlich viele Videos, nur weil man das Gefühl hat, liefern zu müssen. Die Idee des Videos muss gut sein - dann funktioniert sie sowohl mit einem qualitativ guten als auch weniger guten Video!
Agentur – Ja oder Nein?
Auch Behörden können sich zu Beginn Gedanken darüber machen, ob sie lieber mit einer Agentur zusammenarbeiten möchten oder nicht. Wichtig dabei ist es, eine Entscheidung zu treffen, auf welche Art und Weise und in welchem Konstrukt sie arbeiten möchten.
- Do it yourself = Externe Hilfe von Experten – man wird in z.B. einem Workshop in die neue Plattform eingelernt und beraten. Am Ende setzt man das zusammen erarbeitete Konzept dann aber selbst um. ➡️ Einmalige externe Beratung.
- Do it with you = Mixed-Modell: Die Agentur hilft bei der Konzeptentwicklung, die Behörde bringt die Inhalte und schreibt die Skripte. Die Agentur unterstützt dabei, geht nochmal darüber, macht ggf. Verbesserungsvorschläge und produziert dann auch die Inhalte etc. ➡️ Stetige externe Beratung und gemeinsame Umsetzung.
- Do it for you = Die Agentur macht prinzipiell alles und die Behörde gibt das ganze Thema von der Konzeption bis hin zur Umsetzung und dem Community Management an die Agentur ab. In wöchentlichen/ monatlichen Meetings werden dann die wichtigsten Punkte besprochen und die Behörde darüber informiert, wie es gerade mit TikTok läuft. ➡️ Externer Full Service
Dieser Entscheidungsprozess ist natürlich immer eine Frage des Budgets, des Preises und der Agilität. Ein eigenes Team in der Behörde wird immer agiler, echter und näher sein. Aber eine Agentur hat natürlich immer eine bestimmte Expertise. Man sollte also immer abwägen, was man hat und was man braucht. Hat man intern eine Abteilung, die alle Ressourcen mitbringt, die man braucht, dann kann man es auch ohne Agentur machen oder mit einer einmaligen Beratung. Fehlt all das, sollte man über ein Mixed-Modell oder den Full Service nachdenken.
Relatable Content
Am Ende ist Social Media auch nichts anderes als eine 24/7 Bürgersprechstunde. Die Behörde hat durchgehend die Chance, mit den Menschen in Kontakt zu treten, für die sie Politik macht. Und dann kann man über die sozialen Medien vor allem die junge Zielgruppe ansprechen, die man sonst nur schwer greifen kann. Das ist eine große Chance, die man unbedingt nutzen sollte!
Und das funktioniert am besten, wenn man der Zielgruppe zuhört und die Inhalte genau auf deren Bedürfnisse und Interessen ausrichtet – relatable Content, den sie auf ihr Leben beziehen können. So könnt ihr auf Augenhöhe mit der Community kommunizieren und interagieren.
An dieser Stelle empfehlen wir vor allem, auf die jungen Leute zu hören, jemanden aus der Zielgruppe oder der Generation mit ins Boot zu holen und dann bestmögliche Inhalte zu erstellen.
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